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HOLTZENDORFF,F., Encyklopädie der Rechtswissenschaft. Berlin 2013.

Umschlag

HOLTZENDORFF, Franz von, Josef KOHLER (Hrsg.),

Encyklopädie der Rechtswissenschaft. in systematischer Bearbeitung. Erster Band. 6., der Neubearb. erste Aufl. Berlin, Duncker & Humblot, 2013.

16 x 23 cm. VI, 1114 S. VI, 1114 S. (Duncker & Humblot reprints). ISBN 9783428165148.

Franz von Holtzendorff: »Jurist, * 14.10.1829 Vietmannsdorf bei Templin (Uckermark), † 4.2.1889 München.

Die geistig-seelische Entwicklung des jungen Holtzendorff wird dadurch stark beeinflußt, daß der Vater zu den überzeugten Anhängern der freiheitlichen und vielfach aufs heftigste bekämpften Richtung des preußischen Adels gehört. Holtzendorff studiert seit 1844 Rechtswissenschaften in Berlin, Heidelberg, Bonn und wiederum Berlin (Promotion 1852). Er durchläuft den vorgeschriebenen Vorbereitungsdienst für preußische Juristen und wirkt seit 1857 zunächst als Privatdozent und sodann seit 1861 als außerordentlicher Professor in Berlin. Seit 1872 lehrt er als ordentlicher Professor in München bis an sein Lebensende Staats-, Völker- und Strafrecht. Er war Mitbegründer des ›Deutschen Juristentages‹, half bei der Gründung und Unterhaltung der Berliner Volksküchen, des Volksbildungsvereins und des Lettevereins zur Förderung der Erwerbsfähigkeit und der höheren Bildung des weiblichen Geschlechts.

Holtzendorff, den zahlreiche Reisen schon seit 1850 ins Ausland, insbesondere nach Großbritannien und Frankreich, Italien und Rußland, geführt hatten, galt im Ausland als der berühmteste deutsche Jurist seiner Zeit. Er war ein enzyklopädischer Geist auf fast allen Gebieten der Rechtswissenschaft. Seine Bedeutung als Strafrechtslehrer übersteigt die als Staats- und Völkerrechtslehrer. Im Brennpunkt seiner rechtspolitischen Bestrebungen steht die Erneuerung des Strafrechts (zum Beispiel Abschaffung der Todesstrafe) und des Strafverfahrens und hier vornehmlich des Strafvollzuges; insbesondere des Gefängniswesens, wobei ihn sein sicherer Blick für organisatorische Fragen und für die Bedürfnisse der Praxis wie der Theorie besonders befähigen. Er ist ein Freund Rudolf Virchows gewesen.«

Meltz, Carl, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 556–557

»Jurist, * 9.3.1849 Offenburg (Baden), † 3.8.1919 Berlin. (katholisch)

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg und Heidelberg und der Promotion in Freiburg arbeitete Kohler 1873–78 als Richter in Mannheim. Nach Erscheinen seines Buches ›Das deutsche Patentrecht‹ wurde er 1878 als Professor nach Würzburg, 1888 nach Berlin berufen, wo er in überaus großer literarischer Schaffenskraft bis an sein Lebensende wirkte. Die Liste seiner Werke umfaßt nahezu 2500 Titel. – Seine Aufgabe als ›dogmatisch arbeitender‹ Jurist sah Kohler darin, Gesetzgebung, Rechtsprechung und tägliche Geschäftspraxis insbesondere auf neuen Rechtsgebieten zu erfassen, zu ›konstruieren‹ und in das System der Wissenschaft vom Recht einzufügen. Mit diesem Programm setzte er sich ab gegenüber der Begriffsjurisprudenz der ›Periode Vangerow-Windscheid‹, der ›konstruktionslosen Jurisprudenz‹ der Germanisten, dem Gesetzespositivismus, aber auch den für übertrieben gehaltenen Ansprüchen des Freirechts. Kohler betonte die Beziehungen zwischen dem Recht einerseits und Kultur, Philosophie, Geschichte sowie wirtschaftlicher und sozialer Situation andererseits. Rechtswissenschaft hatte stets ›philosophisch, geschichtlich, rechtsvergleichend und dogmatisch‹ zu sein. In den philosophischen Grundlagen fühlte sich Kohler dabei Hegel und Schopenhauer verbunden. Seine Fortentwicklung des Programms der historischen Rechtsschule im Geiste dieser Philosophie führte ihn zu einer kulturwissenschaftlichen Auffassung des Rechts (Das Recht als Kulturerscheinung, 1885), zur vergleichenden Rechtswissenschaft (= Universalrechtsgeschichte) und endlich zur Erneuerung des Naturrechts als ›Naturrecht der jeweiligen Kulturperiode‹. Damit im Zusammenhang stand die Ablehnung des aus Voluntarismus und historischem Relativismus gespeisten Gesetzespositivismus. Diese Ablehnung kam insbesondere in der von Kohler entwickelten objektiven Auslegungstheorie zum Ausdruck.

Ausgeführt hat Kohler seine Grundsätze in erster Linie durch Herausarbeitung des Begriffs des ›Immaterialgüterrechts‹ für das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts. Hier ging es zu Kohlers Zeit zunächst noch um die Erfassung des besonderen Charakters solcher Rechte gegenüber dem Eigentum an körperlichen Gegenständen und dann auf einer zweiten Stufe um den gerechten Ausgleich zwischen vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Urhebers. Gegenüber der ursprünglich vorwiegend vermögensrechtlichen Betrachtung (›geistiges Eigentum‹) und der im Gegenzug insbesondere von den Germanisten betonten persönlichkeitsrechtlichen Deutung unterstrich Kohler den dualistischen Charakter aller Urheberrechte und urheberrechtsähnlichen Rechte durch Unterscheidung eines ›Immaterialrechts‹ und eines ›Individualrechts‹. Diese Sicht blieb bis heute im Prinzip erhalten, auch wenn man heute mehr die Verflechtung der Elemente hervorhebt, die Kohler überhaupt erst einmal trennen mußte, um sie deutlich werden zu lassen. Seine Arbeiten haben alle wichtigen Gesetze auf dem Gebiete des Urheberrechts im weitesten Sinne begleitet. An den Gesetzgebungsarbeiten selbst hat er sich jedoch nicht beteiligt. – Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechtsvergleichung und Rechtsethnologie hat Kohler nicht nur für seine Arbeit am geltenden Recht verwertet, sondern auch mit selbständigen Beiträgen gefördert: die Rechtsphilosophie durch seine Beiträge zur Naturrechtsdiskussion, die Rechtsgeschichte durch Quelleneditionen und durch die Wiederentdeckung der spanischen Naturrechtsschule des 15. und 16. Jahrhundert, die Rechtsvergleichung in all seinen urheberrechtlichen Werken und die Rechtsethnologie durch Anregung von Forschungen in den deutschen Kolonien.«

Luig, Klaus, in: Neue Deutsche Biographie 12 (1979), S. 425–426

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