PHILIPPOVICH,E., Auswanderung und Auswanderungspolitik in Deutschland. Berlin 20
Auswanderung und Auswanderungspolitik in Deutschland. Berichte über die Entwicklung und den gegenwärtigen Zustand des Auswanderungswesens in den Einzelstaaten und im Reich. Im Auftrage des Vereins für Socialpolitik hrsg. (Schriften des Vereins für Socialpolitik LII). 1. Aufl. Berlin, Duncker & Humblot, 2014.
16 x 23 cm. XXXIII, 479 S. Tab., 1 Abb.; XXXIII, 479 S. (Duncker & Humblot reprints). ISBN 9783428172993.
»Nationalökonom, Sozialreformer, Politiker, * 15.3.1858 Wien, † 4.6.1917 Wien. (katholisch)
Nach dem Besuch des Gymnasiums, zunächst in Marburg (Steiermark), später als Zögling der Theresianischen Akademie in Wien, studierte P. seit 1876 Rechtswissenschaft an der Univ. Graz und schloß das Studium 1880 an der Univ. Wien ab. Noch vor der Promotion (1881) wurde P. angehender Finanzbeamter, bereitete aber gleichzeitig seine weitere akademische Ausbildung vor. 1882 erfolgte eine Studienreise nach London und Berlin, 1884 habilitierte er sich an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Univ. Wien für Politische Ökonomie. 1885 erhielt P. einen Ruf als ao. Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Univ. Freiburg (Br.) (1888 o. Professor). In dieser Zeit veröffentlichte er Arbeiten zu methodologischen Fragen, zu finanzwissenschaftlichen Problemen des bad. Staatshaushaltes und zu Fragen des Kolonialwesens und der Auswanderung. P. versuchte, eine zwischen der Deutschen Historischen Schule und der Österr. Schule der Nationalökonomie vermittelnde Position zu finden, die die Notwendigkeit einer subjektivistisch und individualistisch begründeten ökonomischen Theorie anerkannte, aber deren Erweiterung und Ergänzung durch institutionelle Analysen und Wirtschaftsgeschichte forderte. Nach P. ist die ökonomische Theorie Basis für wirtschafts- und sozialpolitische Reformen. Um durch staatliche Eingriffe sozialen Ausgleich herbeiführen zu können, müsse die Theorie daher Machtpositionen und institutionelle Rahmenbedingungen berücksichtigen. Die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe resultiert nicht nur für jene Bereiche in denen Individuen aufgrund fehlender Anreize ökonomisch untätig bleiben (Marktversagen), sondern auch aus Gründen des sozialen Ausgleichs ökonomischer Ungleichheit, die das Resultat solcher Machtpositionen ist. Ähnlich den deutschen Kathedersozialisten sah P. Sozialpolitik und Sozialreform daher als unumgänglich an. 1893 erhielt er als Nachfolger August v. Miaskovkis (1838–99) und damit indirekt als Nachfolger L. v. Steins einen Ruf an die Univ. Wien (Dekan 1895/96 u. 1907/08, Rektor 1905/06). Sein 1893 erschienenes Hauptwerk ›Grundriß der Politischen Ökonomie‹ enthält eine ausführliche und systematische Darstellung der zeitgenössischen ökonomischen Theorie, wobei ansatzweise auch ökonomische Erklärungen sozialer und rechtlicher Institutionen versucht werden. In diesem Sinne steht P. an der Schwelle zwischen dem alten und dem neuen Institutionalismus. Das Werk selbst wurde zu einem wichtigen und sehr verbreiteten Lehrbuch, das 18 Auflagen erlebte.
P. war nicht nur wissenschaftlich und publizistisch, sondern auch politisch international außerordentlich aktiv. In einem 1895 erschienenen Bändchen dokumentierte er das Wiener Wohnungselend. Er war geistiger Führer der sozialpolitischen Partei, die 1896 aus den von ihm mitbegründeten Wiener Fabiern hervorgegangen ist. Wenngleich dieser Partei auch kein großer Erfolg auf parlamentarischer Ebene beschieden war, war P. doch in verschiedenen staatlichen Beiräten, privaten Gesellschaften (Ver. f. Socialpol.) und staatlichen Sozialkommissionen tätig. Freunde und Gegner beschreiben ihn als äußerst integre, bescheidene und von hoher intellektueller und sozialer Verantwortung getragene Persönlichkeit.«
Milford, Karl, in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 393–394
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