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STEINDORFF,E., Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich III. Berlin 2014.

Umschlag

STEINDORFF, Ernst,

Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich III. Erster Band. Auf Veranlassung und mit Unterstützung Seiner Majestät des Königs von Bayern Maximilian II. hrsg. durch die historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften. (Jahrbücher der Deutschen Geschichte). 1. Aufl. Berlin, Duncker & Humblot, 2014.

16 x 23 cm. XII, 537 S. XII, 537 S. (Duncker & Humblot reprints). ISBN 9783428174102.

»Deutscher Historiker, geboren am 15. Juni 1839 zu Flensburg, † am 9. April 1895 zu Göttingen, war der Sohn des Arztes Magnus Friedrich St. (s. A.D.B. XXXV, 697 ff.), der sich in der schleswig-holsteinischen Bewegung von 1848–50 neben Männern wie Beseler, Esmarch, Michelsen und Waitz rühmlich bekannt gemacht hat. Auf dem Gymnasium zu Kiel vorgebildet, studirte St. seit Ostern 1858 an der dortigen Universität, wandte sich aber bereits im Herbste desselben Jahres nach Göttingen, wohin ihn gleich einer großen Zahl junger Historiker besonders seines Landsmannes Georg Waitz gefeierter Name zog. Außer den historischen hörte er philologische, philosophische, nationalökonomische und juristische Vorlesungen, war aber daneben auch einem frischen, fröhlichen Studentenleben keineswegs abhold, dem er gleich seinem jüngeren Fachgenossen und späteren Collegen Ludwig Weiland (s. A.D.B. XLI, 490 ff.) in der Burschenschaft Brunsviga huldigte. Michaelis 1860 bezog er die Universität Berlin, wo er besonders bei Ranke und Droysen hörte, und kehrte im Wintersemester 1861/62 an seine Heimathsuniversität Kiel und ins Elternhaus zurück. Zum Abschluß brachte er seine Studien in Berlin, wo er auf Grund des am 18. December 1862 magna cum laude bestandenen Rigorosums und der Dissertation: ›De ducatus, qui Billingorum dicitur, in Saxonia origine et progressu‹ am 24. Januar 1863 zum Dr. phil. promovirt wurde. Nach beendigtem Studium hörte er noch Vorlesungen bei Jaffé und Müllenhoff in Berlin, um sich für den akademischen Beruf vorzubereiten. Diese Absicht erfuhr aber eine plötzliche Unterbrechung durch die Ereignisse in seiner Heimath Schleswig-Holstein.

Am 15. November 1863 war König Friedrich VII. von Dänemark gestorben und am folgenden Tage erklärte der Erbprinz Friedrich von Augustenburg seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein. Deutschgesinnte Männer aller Parteien vereinigten sich zu seiner Unterstützung. Sofort stellte sich auch St. mit einer großen Zahl der in Berlin und an anderen Hochschulen studirenden Schleswig-Holsteiner dem Herzoge zur Verfügung, an den auch eine von St. verfaßte Adresse gerichtet wurde. Im December wurde St. nach Gotha berufen und folgte Ende des Monats dem Herzoge nach Kiel. Er bekleidete hier die Stellung eines Secretärs in der unter Leitung Karl Friedrich Samwer’s stehenden Abtheilung des Auswärtigen und war zugleich Privatsecretär des Herzogs, den er auch im Mai 1864 nach Berlin begleitete. Eine leitende Rolle hat St. nicht gespielt, seine Thätigkeit beschränkte sich vielmehr im wesentlichen darauf, den Herzog und Samwer bei Erledigung ihrer weitverzweigten Correspondenz zu unterstützen, die Nachrichten in den Zeitungen zu verfolgen, selbst solche hineinzulanciren, Zeitungsartikel im Interesse des Herzogs zu verfassen, Proclamationen auszuarbeiten u. dergl. Im J. 1866, kurz vor Ausbruch des Krieges, der durch die Einverleibung der Herzogthümer in Preußen die schleswig-holsteinische Frage endgültig löste, kehrte der Herzog seinem Lande den Rücken und entließ seine treuen Berather und Helfer. Nur schwer hat sich St. mit der Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen abgefunden, erst die Ereignisse von 1870/71 haben ihn, der stets ein ebenso guter deutscher wie schleswig-holsteinischer Patriot war, wenigstens einigermaßen mit den Verhältnissen ausgesöhnt. Aber über die Auffassung, die ihn in dem Verhalten Preußens, insbesondere Bismarck’s, gegen den Herzog einen Treubruch sehen ließ, ist er nie völlig hinweggekommen. Aus seiner Stellung zu Samwer erwuchs ein inniges Freundschaftsverhältniß, das auch nach jener politisch bewegten Zeit bis zu dessen Tode (1882) fortdauerte, und von dem auch die sein ausgearbeitete Biographie Samwer’s in diesem Werke (XXX, 326 ff.) ein beredtes Zeugniß ablegt. Später hat er politisch sich nie mehr bethätigt.

Nach seiner Entlassung aus dem Dienste des Herzogs kehrte St. an die Hochschule zurück, die seinen Studien die entscheidende Richtung gegeben hatte. Er begab sich nach Göttingen, um sich ganz seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen und die 2½ Jahre vorher so jäh unterbrochene Vorbereitung zur Habilitation wiederaufzunehmen. Im November 1866 erhielt er die Venia legendi auf zwei Jahre, im Juni 1868 ohne Zeitbeschränkung. Am 26. Juni 1873 wurde er außerordentlicher, am 18. April 1883 ordentlicher Professor. In die Zwischenzeit (13. März 1877) fällt seine Vermählung mit Clara Waitz, der jüngsten Tochter erster Ehe seines inzwischen nach Berlin übergesiedelten Lehrers und Meisters Georg Waitz. Aus dieser Ehe entsprossen sechs Kinder, vier Söhne und zwei Töchter, von denen die jüngere nicht lange vor dem Vater starb. Fast 30 Jahre hat St. dem Lehrkörper der Georgia Augusta angehört. Ende März 1895 erkrankte er schwer an Influenza, die aber bereits glücklich überstanden schien, als in der Frühe des 9. April eine Herzlähmung ganz unerwartet seinem Leben ein Ziel setzte, viel zu früh für die Wissenschaft und seine Schüler. Er starb nur neun Wochen nach seinem Studienfreunde und Collegen Weiland, dessen Nachfolger P. Kehr bei seiner Berufung nach Göttingen – tragisch genug! – zugleich die Anwartschaft auf den Steindorffschen Lehrstuhl erhalten hatte, ohne zu ahnen, daß dieser so bald erledigt werden würde.

St. als Gelehrter war eine mehr receptive Natur. Außer seiner Dissertation hat er daher, abgesehen von kleineren Aufsätzen in Ersch-Gruber’s Encyklopädie, der A.D.B. u.a., nur eine größere darstellende Arbeit hinterlassen, die in zwei Bänden 1874 und 1881 erschienenen, auf gründlichen Quellenforschungen beruhenden und hervorragend sorgfältig gearbeiteten Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich III. Die darin enthaltene grundlegende Untersuchung über Heinrich’s III. Kanzlei hat in ihm wohl die Vorliebe für das spätere Hauptfach seiner Thätigkeit, die Diplomatik, geweckt. Die letzten Jahre seines Lebens füllte die Vorbereitung der Neuausgabe der Dahlmann-Waitz’schen Quellenkunde der Deutschen Geschichte (6. Aufl., 1894) aus, eine mühevolle und entsagungsreiche Aufgabe, die er mit hingebendem Fleiße, mit Sorgfalt und Geschick gelöst hat.

Wenn St. als Docent seine Hörer nicht so zu packen und hinzureißen vermochte, wie es sein Freund Weiland so meisterhaft verstand, so lag das zum guten Theile an dem Gebiete seiner Lehrthätigkeit, dem er seit seiner Ernennung zum Ordinarius seine Vorlesungen ausschließlich entnahm, den geschichtlichen Hülfswissenschaften. Aber die verwickelten und nicht immer lockenden Disciplinen der Handschriftenkunde, Urkundenlehre, Siegelkunde und mittelalterlichen Zeitrechnung wurden von ihm in exakter und erschöpfender Darstellung vorgetragen, wobei dem Unterrichte die werthvollen Schätze des diplomatischen Apparates der Universität Göttingen wesentlich zu Gute kamen. Der Eigenart des Faches entsprechend war auch die Zahl seiner Hörer eine beschränkte, aber gerade dadurch hatten diese um so mehr Gelegenheit, etwas Tüchtiges zu lernen und in wissenschaftlichem wie in persönlichem Verkehre dem gewissenhaften Gelehrten näher zu treten, der unermüdlich bestrebt war, die Studien seiner Schüler nachhaltig zu fördern.

Sein schlichtes, ungekünsteltes Wesen, die Lauterkeit seiner Gesinnung, seine natürliche Freundlichkeit und Herzensgüte, verbunden mit einer sich schon in seinen Tagebüchern wiederspiegelnden großen Frömmigkeit, die er sich bis an sein Lebensende bewahrt hat, die aber durchaus nichts Gemachtes an sich trug, sondern einem tief empfindenden religiösen Gemüthe entsprang, alle diese Charaktereigenschaften haben ihm die Achtung, Werthschätzung und Liebe derer erworben, die ihm im Leben nähergestanden haben. Die vielen Freundschaften, die er bis zu seinem Tode gehabt hat, sind dafür das schönste Zeugniß.«

Heinemann, Otto von, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1908), S. 464–466

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