EUCKEN,W., Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt. Berlin 2017.

Umschlag

EUCKEN, Walter,

Die Verbandsbildung in der Seeschiffahrt. (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen 172). 1. Aufl. Berlin, Duncker & Humblot, 2017.

16 x 23 cm. X, 319 S. Tab.; X, 319 S. (Duncker & Humblot reprints). ISBN 9783428178407.

»Nationalökonom, * 17.1.1891 Jena, † 20.3.1950 (auf einer Vortragsreise) London.

Das Studium der Nationalökonomie in Kiel, Bonn und Jena, das ebenso wie das wissenschaftliche Lebenswerk von der geistigen Atmosphäre des Elternhauses befruchtet war, schloß E. mit der Promotion in Bonn vor dem 1. Weltkrieg ab. Nach Teilnahme am Krieg habilitierte er sich 1921 an der Berliner Universität. Die Dissertation (Verbandsbildung in der Seeschiffahrt) und die Habilitationsschrift (Die Stickstoffversorgung der Welt, 1921) waren vornehmlich der Tatsachendarstellung gewidmet. Die erste aufsehenerregende Leistung war die 1923 erschienene Schrift ›Kritische Betrachtungen zum deutschen Geldproblem‹, in der E. überzeugend und mutig den in der Wissenschaft und in der währungspolitischen Praxis herrschenden, verhängnisvollen Meinungen über die Ursachen der deutschen Inflation entgegentrat. 1925 folgte E. der Berufung auf einen Lehrstuhl nach Tübingen. Von 1927 bis zu seinem Lebensende wirkte er an der Universität Freiburg (Breisgau).

Die Beschäftigung mit den landläufigen Erklärungsversuchen der Inflationsursachen, die einerseits fatalistische Haltung der Verantwortlichen und andererseits Währungsmißbrauch durch Inflationsinteressenten gerechtfertigt erscheinen ließen, war für E.s wissenschaftliches Lebenswerk bestimmend. Die Ahnung des jungen Studenten wurde nun zur Gewißheit, daß das Versagen der Nationalökonomie in der Erklärung der wirtschaftlichen Zusammenhänge und damit in der Orientierung der Wirtschaftspolitik nicht zufällig war. Er sah, daß weder die geschichtsblinde zeitgenössische Theorie, die mit ihren von den Klassikern übernommenen Bedingungskonstellationen der Mannigfaltigkeit der Realität nicht Rechnung trug, noch der in Deutschland vorherrschende theoriefeindliche Historismus, der auch mit der Konstruktion von Wirtschaftsstufen und Wirtschaftsstilen keine Zusammenhänge zu erkennen vermochte, zu einer leistungsfähigen Nationalökonomie führen konnten. In seinem Hauptwerk ›Die Grundlagen der Nationalökonomie‹ (1939) gelang E. die Überwindung der großen Antinomie zwischen Geschichte und Theorie. Damit hat er der Nationalökonomie ein neues, tragfähiges Fundament gegeben. In diesem Werk, das in fast alle Weltsprachen übersetzt wurde, weist E. nach, daß es trotz der verwirrenden Vielgestaltigkeit des Wirtschaftens zu allen Zeiten und bei allen Völkern doch nur eine begrenzte, übersehbare Zahl von reinen, elementaren Ordnungsformen gibt. Die unendliche Fülle der wirtschaftlichen Erscheinungen kommt im wesentlichen nur durch verschiedenartige Kombinationen der Elementarformen zustande. Mit dieser genialen Einsicht, die den Vergleich mit den unendlichen Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache oder der Musik durch Kombinationen von wenigen Buchstaben oder Tönen nahelegt, hat E. das von der künftigen Arbeit der Theoretiker noch zu verfeinernde Instrumentarium für die Analyse des Aufbaus der vergangenen und gegenwärtigen Wirtschaftsordnungen und des in ihnen ablaufenden Wirtschaftsprozesses vollständig umrissen. Zugleich hat er mit der Erkenntnis der Elementarformen der schöpferischen Wirtschaftspolitik die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten durch zieladäquate Synthese der Ordnungselemente nachgewiesen. In der fruchtbaren Anwendung der eigenen Ideen auf die nach den mißlungenen Experimenten des 19. und 20. Jahrhunderts immer noch offene Frage nach einer menschenwürdigen und zugleich erfolgreichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung besteht die zweite, nicht minder bedeutsame Leistung E. Zusammen mit Franz Böhm hat er die Konzeption der Wettbewerbsordnung entwickelt. Sie gipfelt in der Erkenntnis, daß nur die bewußte Veranstaltung von Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsordnung in Verbindung mit einigen ergänzenden Prinzipien für die beste Lenkung undAusnützung der produktiven Kräfte zur Befriedigung der gegebenen Bedürfnisse sorgt, ein hohes Maß von Gerechtigkeit in der Verteilung verbürgt und die beste Sicherung der menschlichen Freiheit gegenüber privater und staatlicher Wirtschaftsmacht gewährt. Die ordnungspolitischen Gedanken E.s sind in seinen postum erschienenen ›Grundsätze der Wirtschaftspolitik‹ (1952) dargelegt. Ihrer Fortentwicklung und weitergehenden Anwendung dienen vornehmlich das von E. und F. Böhm 1948 begründete Jahrbuch ›Ordo‹ für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft und das nach dem Ableben E.s errichtete Walter Eucken-Institut in Freiburg.

Wohl selten zuvor in der Geschichte der Wirtschaft haben wie im Falle E.s die Gedanken eines Mannes die wirtschaftspolitische Praxis im Guten so tiefgehend beeinflußt. Der Niederschlag, den die ordnungspolitischen Gedanken E.s im Ausgangspunkt und in den Zielsetzungen der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik gefunden haben, ist zweifellos die entscheidende Ursache des vermeintlichen ›Wirtschaftswunders‹. Unverkennbar hat dieser Erfolg auch die Wirtschaftspolitik anderer Länder nach unglücklichen Experimenten zur Annäherung an die ordnungspolitischen Ideen E.s veranlaßt.«

Meyer, Fritz W., in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 672–673

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